SORROW
Sorrow
With her latest works Sorrow, Winkhaus once more shows what she does best: all the loathing of the world wrapped in the most perfect appearance.
Nowadays parents tend to linger after eternal youth. Yet they treat their children as adults and expect them to understand the most complex emotional structures and patterns one can imagine. Asking a two year old child whether it needs love or attention seems to be more normal than to cuddle it properly when it’s crying. With focusing on children only, Tina demonstrates the socially unpleasant dimension of cruelty this paradoxon of juvenile parents and adolescent children implies.
Text: Simone Taran
Eternal Sadness / Sorrow zeigt 18 großformatige Fotografien und zwei Videoinstallationen der Berliner Künstlerin Winkhaus. Zur näheren gedanklichen Beschauung, was es heutzutage bedeutet in unserer Gesellschaft Kind zu sein, werden 9 Halbportraits von Mädchen sowie 9 Halbportraits von Jungen in dieser Serie vereint. Dabei geht es der Künstlerin nicht um ein unfokussiertes, klischeebehaftetes zur Schau stellen dieser Jungen und Mädchen. Vielmehr verdeutlichen die Fotografien auf reflektierend – darstellende, konkrete wie abstrakte Weise Tina Winkhaus stattgefundene Auseinandersetzung mit den Themen Gewalt, Mediengesellschaft und Celebrity-Wahn. Es finden sich in den Portraits gesellschaftsbezogene Kritikpunkte, die unmittelbar auf die unerfüllt gebliebenen Träume vieler Mütter und Väter anspielen. Die Portraits der Jungen werfen gegensätzliche Fragen zu dem Themenkomplex „Opfer-Täter“ auf, denn die Jungen sind an dieser Stelle Opfer und Täter zugleich: Dargestellt werden sie unmittelbar nach dem Moment des erstmaligen Schiessens. Das bloße Halten des Gewehres verdeutlicht zu diesem Zeitpunkt über die eingenommene Gestik die Enthüllung physischer Gewalt. Konträr zu der einnehmenden Rolle des Helden erzählt dagegen die Mimik der Jungen von einem gänzlich anderen Empfindungsmoment: Der Akt des Schiessens hat in ihrem Gesichtsaudruck eine leichte Irritation hinterlassen, sie sehen einerseits stark, „cool“ und „lässig“ aus, anderseits offenbart ihr Gesichtsaudruck indes ihre Empfindsamkeit und Verletzbarkeit. Der Augenblick des Abdrückens am Gewehrlauf läutet das sogenannte Ende der jungenhaften Unschuld ein: Sie setzt sich grundsätzlich aus dem Begriffspaar „Unwissenheit –Unerfahrenheit“ zusammen und erfährt hier ihre Ablösung hin zu einem weiteren reifungsprozessbezogenem Erfahrungsmoment. Die Mädchen dagegen befragen und spiegeln mit ihrer Haltung, ihrem Geschminktsein, ihrem ernsten Blick und ihrer Kleidung einen anderen Themenkomplex:
Bei Mädchen-Schönheitswettbewerben geht es lediglich um das Aussehen von Mädchen, die nach einem rigiden Punktesystem bewertet werden. Es entsteht hierbei ein Wettkampf um die Beantwortung der belanglos klingenden Frage „Spieglein, Spieglein an der Wand – wer ist die Schönste im ganzen Land?“ Die meisten Mädchen mögen es, sich im Akt des Spielens zu verkleiden oder gar zu schminken, um somit die Märchen- oder Umwelt mimetisch abzubilden. Dieser Vorliebe ist auch nichts Kritisches entgegenzusetzen. Problematisch wird es erst dann, wenn Aussehen und Schönheit an ein leistungsorientiertes Bewertungssystem geknüpft werden, was die Mädchen überfordert oder ihnen gar Angst macht. Der Gesichtsausdruck der Mädchen in den Portraits von Tina Winkhaus will nicht zu der Welt der Beautycontests passen. Stattdessen zeugt er vielmehr von Ernsthaftigkeit, Traurigkeit, Sensibilität und erwachsen anmutender Reife. Jungen wie Mädchen wirken aufgrund der ausgewählten und inszenierten Sujets im groben Primärblick entweder gewaltsam, hübsch oder gar belanglos. Spätestens auf den zweiten Blick wird der Betrachter jedoch Tina Winkhaus sensibles, gesellschaftskritisches wie reflektiertes Vorgehen und dahingegen die große Qualität dieser Arbeiten herauslesen und anerkennen können.
Text: Aboli Lion